– 2015
Wir sind keine Zahlen, wir sind Menschen!
442.000 Erstanträge in 2015: So viele Asylerstanträge wurden in Deutschland noch nie gestellt. Die Asylerstantragszahl stieg im Vergleich zum Vorjahr um 155 Prozent. Rechnet man die Folgeanträge ein, liegt die Zahl der Asylanträge in 2015 bei knapp 477.000.
Hauptherkunftsländer
Hauptherkunftsland der Asylantragstellenden ist Syrien mit ca. 159.000 Erstanträgen – das ist mehr als ein Drittel aller Asylanträge. Dahinter folgen Albanien und Kosovo mit rund 54.000 bzw. 33.000 Anträgen. Die westlichen Balkanstaaten spielten jedoch gegen Ende des Jahres in der Asylstatistik kaum eine Rolle mehr.
Auf Platz vier der Hauptherkunftsländer folgt Afghanistan mit ca. 31.000 Erstanträgen, dahinter der Irak (30.000) und Serbien (17.000). An siebter Stelle stehen Asylanträge von Antragsstellenden unklarer oder ohne Staatsangehörigkeit (12.000), ein Großteil von ihnen dürften staatenlose Palästinenser aus Syrien sein. Auf Platz acht folgt Eritrea (11.000). Damit machen die vier Herkunftsstaaten Syrien, Afghanistan, Irak und Eritrea über 52 Prozent der Asylerstanträge im laufenden Jahr aus.
Asylantragszahlen nur bedingt aussagekräftig
Die Asylantragszahlen 2015 geben jedoch nur bedingt Auskunft über die Zahl der Menschen, die in Deutschland Schutz suchen. Mehrere Hunderttausend Asylsuchende, die 2015 nach Deutschland kamen, hatten aufgrund der chaotischen Zustände beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge keine Möglichkeit, einen Asylantrag zu stellen. Aussagekräftiger sind daher die Zahlen des EASY-Systems, in dem Asylsuchende in Deutschland zunächst registriert werden: Das waren in 2015 knapp 1,1 Millionen Menschen.
Doch auch die EASY-Zahlen sind mit großer Vorsicht zu genießen: Unter den ca. 1,1 Mio Registrierten gibt es eine hohe unbekannte Zahl an Doppel- und Fehlregistrierungen. Zudem gab es ein erhebliches Maß an Weiterwanderung, d.h. Deutschland war für viele Flüchtlinge nur Transitland zur Weiterreise in andere EU-Staaten.
Zwischen September und November wurden laut Eurostat in Schweden rund 100.000 neue Asylanträge verzeichnet, was einen erheblichen Anstieg im Vergleich zu den Vormonaten bedeutet. In Finnland wurden über 23.000 neue Asylanträge gezählt, in Norwegen knapp 22.000. Auch in anderen nord- und westeuropäischen Staaten wie Dänemark, Belgien, den Niederlanden oder auch Frankreich waren seit August/September signifikante Anstiege der neuen Asylanträge zu verzeichnen.
Viele Registrierte Richtung Skandinavien ausgereist
60.000 Flüchtlinge hat Deutschland nach Skandinavien weiterreisen lassen
Es muss davon ausgegangen werden, dass ein großer Teil dieser Asylsuchenden bereits in Deutschland registriert wurde und die tatsächliche Zahl der Schutzsuchenden in Deutschland im Jahr 2015 tendenziell eher im Bereich der Prognose der Bundesregierung in Höhe von 800.000 liegen dürfte, als unter einer Million.
Diese These wird gestärkt durch eine Aussage von Ministerpräsident Albig. Demnach hat allein Schleswig-Holstein im letzten Jahr über 60.000 Flüchtlinge nach Skandinavien durchreisen lassen. Schlussendlich wird es noch bis weit in das Jahr 2016 hinein dauern, bis einigermaßen sicher gesagt werden kann, wie viele Asylsuchende 2015 tatsächlich nach Deutschland kamen.
Text proAsyl, www.proasyl.de
– 2014
In absoluten Zahlen hat Deutschland in diesem Zeitraum im EU-Vergleich zwar die mit Abstand meisten Flüchtlinge aufgenommen. Im Verhältnis zur Gesamtbevölkerung rangierte es mit 213 Asylsuchenden auf 100.000 Einwohnende demgegenüber nur im europäischen Mittelfeld. In Schweden (821 Asylsuchende auf 100.000 Einwohner/innen), Malta (332 Asylsuchende auf 100.00 Einwohner/innen, Österreich (246 Asylsuchende auf 100.000 Einwohner/innen), Dänemark (228 Asylsuchende auf 100.000 Einwohner/innen) und Luxemburg (220 Asylsuchende auf 100.000 Einwohner/innen) waren die relativen Flüchtlingszahlen teilweise deutlich höher als in der Bundesrepublik.
Hauptherkunftsländer 2014
Die meisten der Flüchtlinge in Deutschland kamen im Jahr 2014 aus Syrien, Serbien, Eritrea und Afghanistan. Sie sind zugleich Botschafter und Opfer von Verwerfungen, Krisen und Kriegen in ihren Ländern:
■ Syrien
Seit Beginn des blutigen Bürgerkrieges im Jahr 2011 sind in Syrien nach Schätzungen der Vereinten Nationen bisher mindestens 200.000 Menschen Gewalthandlungen zum Opfer gefallen, darunter viele Zivilisten, Frauen und Kinder. Mehr als 3,5 Millionen Männer und Frauen mussten das Land verlassen und haben in der Regel in den Nachbarstaaten Syriens Schutz gefunden. Über 6,5 Millionen Syrer/innen wurden darüber hinaus seit 2011 zu Vertriebenen im eigenen Land.
■ Serbien
Obdachlosigkeit, Arbeitslosigkeit, Vertreibung, keine Registrierung der Staatsbürgerschaft, keine Gesundheitsversorgung und die Ausgrenzung von Kindern aus dem Schulsystem – das ist nach der Analyse der Europäischen Kommission der Alltag vieler Roma in Serbien und anderen südosteuropäischen Staaten. Ein menschenwürdiges Leben dort ist für die Betroffenen kaum möglich, weil ihnen grundlegende amtliche Dokumente vorenthalten werden und sie deshalb weder ihre Grundrechte noch staatliche Unterstützung einfordern können. Mit dem „Gesetz zur Einstufung weiterer Staaten als sichere Herkunftsstaaten und zur Erleichterung des Arbeitsmarktzugangs für Asylbewerber und geduldete Ausländer“ haben Bundestag und Bundesrat am 6. November 2014 die Länder Serbien, Bosnien- Herzegowina und Ehemalige jugoslawische Republik Mazedonien zu „sicheren Herkunftsstaaten“ erklärt. Es wird damit gesetzlich unterstellt, dass in diesen Ländern weder politische Verfolgung noch unmenschliche oder erniedrigende Bestrafung oder Behandlung stattfindet. Asylanträge von Flüchtlingen aus diesen Ländern werden unabhängig vom Einzelfall als „offensichtlich unbegründet“ abgelehnt. Die Rechtsmittel und Einspruchsfristen gegen eine solche ablehnende Entscheidung sind stark eingeschränkt. Damit haben auch Angehörige der Roma-Minderheit aus diesen drei Ländern künftig kaum noch eine Chance auf die Gewährung von Schutz in Deutschland, obwohl ihre massive Diskriminierung von Verwaltungsgerichten in Deutschland immer wieder als asylrelevant eingestuft wird und in anderen EU-Mitgliedstaaten wie z. B. Belgien oder in der Schweiz vielfach zu Asylanerkennungen führt.
■ Eritrea
Anhaltende und systematische Verletzungen der Menschenrechte wirft der UN-Menschenrechtsrat der Militärregierung und den eritreischen Behörden vor. Demnach sind willkürliche Hinrichtungen, Folter, unhaltbare Haftbedingungen in dem ostafrikanischen Staat an der Tagesordnung Obwohl das Militär auf Flüchtlinge schießt, versuchen seit Anfang 2014 monatlich etwa 4.000 Personen, das Land zu verlassen und der brutalen Unterdrückung zu entkommen.
■ Afghanistan
Aus dem aktuellen Lagebericht des Auswärtigen Amtes zu Afghanistan geht hervor, dass sich die ohnehin prekäre Situation in dem Land in den letzten Monaten dramatisch verschlechtert hat. Lokale Machthaber, Warlords und Milizen, die mit der Drogenkriminalität verflochten sind, haben regional einen erheblichen Einfluss und untergraben die Autorität der afghanischen Sicherheitskräfte. Im ganzen Land ist demnach mit Anschlägen zu rechnen. Im Jahr 2013 waren hierbei mindestens 8.600 zivile Opfer und rund 3.000 Todesfälle zu beklagen. Die Versorgung der Bevölkerung und insbesondere der Kinder mit Lebensmitteln und medizinischen Gütern liegt weitgehend am Boden.
Die von PRO ASYL herausgegebene Broschüre „Flucht braucht Wege“ nimmt die Flüchtlingskatastrophe vor Lampedusa im Oktober 2013 zum Anlass, um die aktuelle EU-Flüchtlingspolitik zu bewerten. Statt einer Neuausrichtung der Flüchtlingspolitik setzt Europa nach Auffassung von PRO ASYL auf das „Recycling flüchtlingsfeindlicher Maßnahmen“ wie eine verstärkte Zusammenarbeit mit Transit- und Herkunftsstaaten von Flüchtlingen und den Ausbau von Grenzsicherungsmaßnahmen. Die kostenlose Broschüre zeigt alternative Optionen für eine menschenrechtskonformere Asylpolitik in Europa auf.
Mit freundlicher Genehmigung von ProAsyl.